Dienstag, 29. Januar 2008

Die Fuge - das musikalische Pendant zu Descartes Philosophie

Die Fuge – das musikalische Pendant zu Descartes Philosophie

Bevor es Absolute Musik gab, besaß Musik Objektivität in der Funktion, welche sie jeweils zu erfüllen hatte. Zum Beispiel in einem Text, den sie ausdrückte oder im Charakter eines Tanzes und Rituals, das sie untermalte. Ihre Funktion machte Musik zwar nicht greifbar, jedoch begreifbar. Objektivität wie Bindung an außermusikalische Funktionen fielen in der Absoluten Musik weg. Aus der Notwendigkeit ihrer Entstehung heraus entwickelte sich eine neue Objektivität. Somit war Absolute Musik Stimme des Individuums und zugleich begreifbar. Das bedeutendste Anschauungsobjekt dafür finden wir in der Fuge. Sie spiegelt auf musikalischer Ebene den Stand der Subjektivität im 17.Jahrhundert genauso wieder, wie ihr philosophisches Äquivalent, die Lehren Descartes.

Der Philosoph Descartes bezieht zum ersten Mal die Subjektivität relevant in philosophische Betrachtungen ein. Er entwickelte eine Erkenntnistheorie, die nur das als richtig akzeptierte, was durch die eigene Analyse und logische Reflexion plausibel nachweisbar war.

Der Fugenkomponist übernahm keine bereits vorhandene geistliche oder weltliche Melodie, wie in der nicht absoluten Instrumentalmusik. Er erfand sein eigenes musikalisches Gebilde, das bis zum Ende des Barock (Mitte des 18.Jahrhunderts) Subjekt genannt wurde. Aus diesem alleine setzte er ohne Variierungen der erfundenen Substanz sein Werk zusammen.

Nach Descartes Ethikvorstellung hatte sich das Individuum im Sinne bewährter gesellschaftlicher Konventionen pflichtbewusst und moralisch einwandfrei zu verhalten.

In Werken absoluter Musik, also auch in der Fuge, waren verbindliche, erkennbare Kompositionsprinzipien vorgegeben. Ein Beispiel hierfür ist die Imitation. Alle beteiligten Stimmen setzen wie beim Kanon nacheinander mit dem Subjekt ein. Nachdem alle Stimmen eingesetzt haben, wird das Subjekt in einer von ihnen immer wieder zitiert. Das Subjekt darf nicht verändert werden, es sei denn, dass es in seiner veränderten Form dann verbindlich so weitergeführt wird.

Gefühlsregungen wie Liebe oder Hass etc. sieht Descartes als natürliche mentale Ausflüsse der Körperlichkeit des Menschen als Kreatur. Er verpflichtete diesen aber zu ihrer Kontrolle durch den Willen und die Vernunft.

Länge, Dramatik, Gefühlsintensität und Charakter seiner Fuge ordnet der Komponist seinem Willens und seiner Vernunft unter.

In diesem Stadium europäischer Kultur erscheinen Gefühl und Vernunft bereits als abgegrenzte, selbstständige Sektoren. Der separierende kulturimmanente Faktor wird im Zusammenwirken mit dem konzentrierenden die Dialogfähigkeit beider Sektoren immer mehr erschweren.


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