Sonntag, 1. Juni 2008

MUSIK MARKT MEDIEN MACHT Mittelmaß?

MUSIK MARKT MEDIEN MACHT MITTELMAß?

Kunst zwischen Willen, Wollen, Sollen und Müssen

Geschmack und Urteil

Musik wirkt unmittelbar auf das Unbewusste, welches einer Kontrolle durch den Willen bekanntlich entzogen ist. Darin liegt ein Teil ihrer Macht.
Die Summe all dessen, was einem Rezepienten an Musik gefällt, was ihn anspricht, womit er sich zu identifizieren vermag, macht seinen „Geschmack“ aus. Bekanntlich gibt es guten und schlechten Geschmack, doch woran ist dieser festzumachen? Eine berechtigte, gleichwohl schwierige Frage, zumal in einem Stadium der Gesellschaft, worin stets das Persönliche und Subjektive den Ausschlag gibt! Wenn Musik auf Persönlichkeitsteile wirkt, die nicht vom Willen kontrollierbar sind, kann man dann einen sogenannten schlechten Geschmack verbessern? Wenn ja, hat man das Recht dazu?

In einer individualistischen Gesellschaft scheint dies gar nicht sinnvoll zu sein, weil ein Jeder sein eigener Maßstab ist. Daraus ergibt sich eine weitere Frage: ist in einer subjektivistischen Gesellschaft Kultur nach den üblichen Definitionen überhaupt möglich?

Ganz klar: nein! Kultur ist keinesfalls die Koexistenz verschiedener Meinungen oder Ansichten. Kultur hat unabdingbar mit der Beziehungsfähigkeit des Kollektivs wie des Individuums zu etwas Übergeordnetem zu tun; aber auch mit der Beziehungsfähigkeit des Kollektivs zum Individuum und umgekehrt. Kultur existiert demnach jenseits von individuellem Geschmack, denn ihr Wesen besteht immer in der kollektiven und individuellen Akzeptanz eines übergeordneten Wertekodex. Für die Künste als Sinnesorgane der Kultur gilt natürlich das Gleiche.

Kultur und Künste sind ohne transzendentale Aspekte ebenso undenkbar, wie Wasser ohne Nässe. Nehmen wir zum Beispiel ein Orchester. Ohne die Bereitschaft seiner Spieler zur Verschmelzung zum Gesamten des Werkes – dem übergeordneten Kontext – wäre keine Symphonie aufführbar. Vom Orchestermusiker wird verlangt, seinen persönlichen Geschmack hinten anzustellen und sich in die Gemeinschaft, sein
Ensemble, einzufügen.
Für die Rezepienten besteht eine solche Verpflichtung nicht, sie können bedenkenlos ihrem persönlichen Geschmack frönen. Einen sogenannten schlechten Geschmack soll man nicht verurteilen, damit hilft man niemandem. Die Herausforderung besteht zunächst darin, Menschen darauf aufmerksam zu machen, wenn sie ihren Geschmack mit objektiver Bewertung gleichsetzen. Wenn etwas gefällt, muss es nicht notwendigerweise gut sein, oder wenn etwas nicht gefällt, muss es nicht schlecht sein. Individuation und Relativierung sind gefragt. „Gefällt mir“ oder „missfällt mir“ ist Geschmack, „ist gut“ oder „ist schlecht“ bedeutet Urteil. Um urteilen zu können bedarf es der Kenntnis und der Erfahrung. Diese wiederum bezieht man aus einem übergeordneten Wertekodex. Er verändert sich freilich im Laufe der Geschichte, was vor allem in Phasen eines Umbruchs die Urteilsfähigkeit erschwert.

Als Wolfgang Amadeus Mozart 1777 in Mannheim weilte, hatte sein Vater die Befürchtung, der Sohn könne sich den schlechten Geschmack der Mannheimer Komponisten angewöhnen. Den Hörern unserer Tage bereitet es beträchtliche Schwierigkeiten, den angeblich schlechten Einfluss der Mannheimer auf Mozarts Werke jener Phase herauszuhören. Bis kurz vor dem 19. Jahrhundert gab es noch keine Individualstile mit persönlichem Profil. Es existierte immer ein allgemeiner Stil in jeweils regional unterschiedlichen Varianten. Johann Sebastian Bach allerdings wandte sich mit zunehmender Reife immer mehr vom Mainstream seiner Zeit zugunsten konsequenter Kompositionsideale ab. In deren Fokus stand Reduktion auf das Wesentliche sowie die Durchdringung seiner weltlichen Werke mit seiner Religiosität.

Durch fortgesetzte Übung gelangen wir jedoch zu Kenntnis und Erfahrung, und vermögen so, tatsächlich auch bei Bachs Zeitgenossen feine Unterschiede wahrzunehmen.
Das Bewusstsein für den Unterschied von Geschmack und Urteil kann in einem Jeden geweckt bzw. erworben werden.

Identifikation

Hauptursache für eine fehlende Unterscheidungsfähigkeit zwischen Geschmack und Urteil stellt die negative oder positive Identifikation dar. Sie findet beim Rezepienten automatisch, zumeist unbewusst statt.

Identifikation ist mit gesundem Narzissmus verbunden. Dies bedeutet, dass wir uns durch etwas Äußeres auf- oder abgewertet fühlen können. Je ungesunder der Narzissmus beim Individuum beschaffen ist, desto größer wird dessen Abhängigkeit von äußeren Identifikationsobjekten. Beim Virtuosenkult ist dies ebenso wirksam wie beim Kult der Operndiven. Die Qualität von Interpretationen oder Werken selbst tritt dabei in den Hintergrund. Künstler sind Projektionsflächen. Bewunderung kann in diesem Zusammenhang Ausdruck eines neidlosen oder neidunbewussten Bedürfnisses sein, die gleiche Begabung wie das Identifikationsobjekt zu besitzen und im selben Glanz zu erscheinen. Sie kann aber auch vom Wissen um die Kluft zwischen Bewunderer und Bewundertem herrühren. Nur weil Einer etwas kann, wozu die Meisten nicht fähig sind, wird er bewundert.

Aber auch Sound vermag narzisstisch zu stimulieren; der in der Fürstenverehrung wurzelnde barocke Pauken und Trompeten Sound genauso wie das imposante, berauschende Klangdesign Richard Wagners.

Dann gibt es aber noch ein weiteres Identifikationselement. Es wurzelt nicht im Narzissmus, es ist die Empathie – das Mitgefühl also. Denken wir an den Anfang von Giuseppe Verdis „La Traviata“ und den dritten Akt, wo gehauchte Streicherklänge und sensibel entworfene Harmonien die Dahinschwindende so ergreifend beschreiben, dass unser Mitgefühl ungehindert mobilisiert wird.

Die hemmende Wirkung des Identifikationsfaktors auf die Unterscheidung zwischen Geschmack und Urteil lässt sich natürlich ganz gut ausnützen, wie man bald sehen wird.

Machtwechsel

Solange die Adelsgesellschaft bestanden hatte, herrschte im allgemeinen der Geschmack des Herrschers in seinem Territorium. Nicht nur „Cuius regio eius religio“ (wes Reich, des Religion) galt, sondern auch cuius regio eius gusto“ (wes Reich, des Geschmack). Der Sonnenkönig LudwigXIV ist hierfür wohl das prominenteste Beispiel, aber auch Friedrich II von Preußen oder ein Fürst von Sachsen Anhalt et cetera. Unfreiwillig war den Komponisten und Rezepienten der Herrschergusto als „Wertekodex“ übergestülpt, nach dem sie sich alle richten mussten. Solange der Absolutismus fest im Sattel saß,, akzeptierten dies die Meisten, wohl oft genug mit Zähneknirschen. Von der Oper „Unter den Linden“ zu Berlin, der Oper des Preußenkönigs Friedrich II, ist uns eine rasante Sängerfluktuation überliefert. Darin zeichnete sich bereits eine Wende im Denken der Untertanen ab. Sie wollten sich nicht andauernd vom Herrscher in „ihre“ Angelegenheiten hineinreden lassen.

Die fortschrittlichen bürgerlichen Vorstellungen führten zu revolutionären Umwälzungen.Nach Überwindung der Adelsgesellschaft schienen paradiesische Bedingungen für die Schönen Künste geschaffen.
Nicht mehr Gott oder der feudale Herrscher sondern sie selbst standen jetzt auf einem hohen Podest. Durch ihren Funktionsverlust sakraler oder staatlicher Repräsentation waren sie zu eigenständigen Valeurs erhoben. Dadurch kam es aber allmählich zu einer immer größer werdenden Kluft zwischen ihnen und ihrem Publikum, eine kulturelle Entfremdung nahm ihren Lauf. Sie spiegelt die Entfremdung in den Produktionsverhältnissen auf der künstlerischen ebene wieder.

Die Künstler orientierten sich nun an den Idealen der neuen Gesellschaft: persönliche Freiheit, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung, Möglichkeit persönlicher Willensvollstreckung. Beethovens Eintrag in eines seiner Konversationshefte, mit deren Hilfe der Gehörlose zu kommunizieren pflegte, brachte dies mit folgenden Worten auf den Punkt: „Wahre Kunst ist eigensinnig“.

Anstelle einheitlicher Stile in nur geringfügig unterschiedlichen Varianten, entstanden jetzt markante Individualstile als musikalische Persönlichkeitsprofile. Eine allgemein verbindliche Ästhetik, an welcher sich auch feudale Herrscher geschmacklich orientiert hatten, begann sich nun rasch aufzulösen.

Nun kam es zu völlig neuen Problemen, welche die künstlerischen Freiheiten kräftig beschnitten.

In den neuen Produktionsverhältnissen gerieten die Schönen Künste in jenen Zwiespalt, der für die bürgerliche Gesellschaft als emblematisch zu bezeichnen ist: die Kluft zwischen Sein und Schein. Dem Anspruch auf höchste Qualität, Individualität und Innovation eines neuen Werkes stand nun der Markt mit unerbittlichen Gesetzen gegenüber. Bürgerliche Ideale stellten den Wertekodex der Komponisten und Interpreten dar, preiswerte Produktion, Vermarktbarkeit und Profitorientierung waren „Wertekodex“ auf Seite der gesellschaftlichen Realität.

Ein Machtwechsel hatte in der Tat stattgefunden, aber ganz anders als ihn sich die fortschrittlichen Künstler erhofft hatten.
Sie wurden zwar nicht mehr von ergebenen, sturen Hofbeamten gegängelt und bevormundet, damit dem angeordneten Herrschergusto genüge getan wurde, jetzt waren sie in die Hände von Marktstrategen geraten.
Der Erfolg einer neuen Komposition hing ganz und gar vom Geschick der Marktstrategen ab. Ein guter Verkäufer muss freilich kein kenntnisreicher oder mit künstlerischen Talenten beschenkter Kunstexperte sein. Hier beginnt ein Dilemma. Schubert beispielsweise, als Mensch von zarter Natur, mit wenig geübten Ellenbogen, musste grauenvolle Demütigungen erdulden, ja sogar eigenmächtige, unglückliche Eingriffe in seine Werke erfahren. Verleger nahmen ohne Rücksprache eigenhändig Veränderungen vor. Sie strichen oftmals ganze Takte, und glätteten und „vereinfachten“ die Melodik und Harmonik, so dass sie dem Geschmack des mittelmäßigen Vertreibers entsprachen und absetzbar erschienen.

Die neuen Machthaber

Aber nicht nur Marktstrategen, welche erfolgreiche Künstlerkarrieren lancierten, waren neue Machthaber. Es waren vor allem die Kritiker, die einen ungeheuren Machtzuwachs verzeichneten.

Weil es keine allgemein gültige Ästhetik mehr gab, die Kompositionen und Interpretationen von jetzt an aber stets individuell, stets uniziös und stets innovativ waren, entzogen sie sich dem Beurteilungsvermögen ihrer Hörer weitgehend.
Sie bedurften einer Erläuterung und Beurteilung durch Sachkundige. Die Kritiker wandelten sich so von Berichterstattern zu subjektiven Beurteilenden. Als solche vermochten oder wollten sie es oftmals gar nicht, zwischen Geschmack und Urteil zu unterscheiden. Der Konflikt zwischen Urteil und geschmacklicher Identifikation reißt Kritiker auch heutzutage immer wieder dazu hin, künstlerische Leistungen unabhängig von realer Qualität folgenreich hochzujubeln bzw. zu vernichten. Ihre enorme Einflussnahme verdanken sie der flächendeckenden Publikationsmöglichkeit in Zeitungen, Fachzeitschriften, Funk oder Fernsehen. Es handelt sich um ein unfaires Machtsystem der unverhältnismäßigen Quantitäten. Das Vakuum des Beurteilungsvermögens Vieler wird von bewertender Ansicht Weniger ausgefüllt.

Seit dem 19. Jahrhundert trug die Presse immer wieder in hohem Maße zu Misserfolgen oder zum Scheitern von Karrieren bei. Die wohl bekannteste Oper überhaupt, George Bizets „Carmen“ wurde zerrissen, letzten Endes starb der Komponist am Gram über seinen Misserfolg. Ungerechte Parteinahme von Kritikern im Zuge der „symphonischen Erbfolge“ nach Ludwig van Beethoven trugen zu unglücklicher, schädlicher Polarisierung bei. Anton Bruckner wurde das Leben dadurch schwer gemacht. Und auch Johannes Brahms, obwohl er als Komponist arriviert war, musste sarkastische Tiraden über sich ergehen lassen.
Heute sind bekanntlich Beide als überragend und bedeutend angesehen.

Tonträger, Möglichkeiten, Markt und Terror

Als es dann die Tonträger möglich machten, Musik zu jeder Zeit in jedes Haus zu liefern, waren eigentlich ideale Voraussetzungen geschaffen worden. Bis dahin blieb Musik nach ihrem Verklingen immer nur Erinnerung, die alsbald verblasste. Jetzt konnte man sich ein Stück wieder und wieder anhören, es richtig kennenlernen und sogar verschiedene Interpretationen miteinander vergleichen. Alle Voraussetzungen zum Aufbau und zur Bildung eines differenzierten Beurteilungsvermögens waren nunmehr eigentlich vorhanden. Die kulturelle Entfremdung hätte gedämpft werden können. Vor allem Werke der Neuen Musik, die ein mehrmaliges Anhören erfordern, um verstanden zu werden, könnten hier profitieren. Die akustische Fixierung wurde aber nicht im Sinne eines Bildungsauftrages erfunden und entwickelt. Es ging vordergründig darum, ein einmal erzeugtes Produkt, wie die Aufführung einer Beethoven Symphonie, in hoher Auflage mit niedrigen Kosten zu vervielfältigen und maximal gewinnbringend zu vertreiben. Tonträger und Markt versäumten eine große Chance. Statt dessen offenbarten sie lediglich, das Musik in der bürgerlichen Gesellschaft zur Ware, zum Konsumartikel geworden ist.

Waren seit der Pflege musikgeschichtlicher Tradition (ab dem 19.Jahrhundert) die Komponisten unter zermalmendem Innovationsdruck gestanden, so gerieten nunmehr auch die Interpreten in die gleiche Zwangslage. Die neuartige Möglichkeit, relevante Interpretationsgeschichte überliefern zu können, wandelte sich alsbald zum Terror. Die Entfremdung zwischen Rezepienten und zeitgenössischer Musik wuchs trotz aller postmodernen, benevolenten Versuche der Schaffenden. Letzten Endes blieben es immer nur die gleichen, „bewährten“ , klassischen Standardwerke, welche vom Publikum gewünscht und somit von den Plattenfirmen produziert wurden bzw. immer noch werden. Die Anzahl an Interpreten wächst bei gleichbleibender Werkzahl stets an. Im selben Maße erhöht sich der Druck auf die Interpreten, sich von vorangegangenen Aufnahmen zu unterscheiden und etwas Neues zu bringen. Aber auch untereinander wächst der Konkurrenzkampf, Interpreten müssen sich zwangsläufig voneinander abgrenzen. Ende der Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts ist es auf dem Plattenmarkt bereits sehr eng geworden. Das stagnierende Repertoire von Barock, Klassik und Romantik war durch eine Vielzahl von Einspielungen hinreichend abgedeckt. Es galt, das Dilemma zu beenden. Woher konnte irgendeine Innovation innerhalb des Standardrepertoires bezogen werden? Die Idee, vorbürgerliche Musik auf jeweils zeitgenössischen Instrumenten, original oder kopiert, nach historisch korrekten Regeln auszuführen, eröffnete einen völlig neuen Markt. Man konnte Althergebrachtes nun abermals, im speziellen historischen Sound veräußern. Unentbehrliche, notwendige, bereichernde Erkenntnisse sind dadurch ins Bewusstsein und ins allgemeine Musikleben eingedrungen. Doch der Innovations-Terror erfasste alsbald auch den Originalklangmarkt und unterwarf ihn interpretatorischen Abgrenzungszwängen.

Mittelmaß

Heutzutage ist Alles buchstäblich auf den Kopf gestellt. Im gesamten Produktionsbereich ist nicht mehr das Werk als solches sondern die persönliche Idee transzendentaler Aspekt einer Interpretation.

Die Möglichkeiten oder Mittel interpretatorischer Abgrenzung reduzieren sich jedoch auf Tempowahl und Sound, denn die Noten bleiben ja immer die selben. Also fokussiert man diese Aspekte, die Tempi werden radikaler, der Sound, vor allem in schnellen Sätzen, soll dem Hörer etwas geben, was zuvor nur auf dem Fußballplatz existiert hat: Kick. Die Kunst einer Gesellschaft, die auf Veräußerung basiert, muss zwangsläufig äußerlich werden. Das Wesen von Kunst wird sekundär, die künstlerischen Leistungen erscheinen buchstäblich unwesentlich. Eine Interpretation verkommt in diesem Stadium zur reinen Logoreproduktion des Künstlers oder Ensembles. Mittelmaß wird Standard.
Dass die persönliche Idee und nicht mehr das Werk den transzendentalen Aspekt bedeutet, spiegelt den geistigen Zustand unserer Gesellschaft wieder, die ihrerseits transzendentaler Aspekte entbehrt. Diese Entbehrung wird vor allem seit den Achtundsechzigern als Liberalität erklärt. Diese Liberalität ist aber nichts anderes als die im Unreflektierten, Geschmacklichen wurzelnde willkürliche Koexistenz beliebiger Ansichten.

Die Kultur und ihre Sinnesorgane, die Künste, kollabieren dabei, man bleibt im Zeitgeist verhaftet, man verfertigt technisch perfekte, gleichwohl flache Reproduktionen von Überkommenem und erzeugt im Bereich der produzierenden Kunst zeitgeistige Eintagsfliegen, ohne Nachhaltige Wirkung. Dies betrifft Regietheater, Musik, Malerei genau so wie große Teile der Literatur.

Aussichten

Die Qualität der künstlerischen Produkte wird irrelevant, die Qualität der Vermarktung entscheidet darüber, was sich auf dem Markt zu behaupten versteht. Die Zeitepoche mit den faszinierendsten Möglichkeiten zur Realisierung eines Bildungsauftrags, zur Anhebung des Wissensstandes und zur Schulung eines differenzierten Urteilsvermögens versagt kläglich, weil die Gesellschaft auf Rentabilität und Profit erpicht ist.

Der Markt braucht die Medien um werben und absetzen zu können. Medien bedeuten Macht. Die „Machthaber“ nützen die narzisstischen und empathischen Identifikationsfaktoren der Musik bei den Konsumenten gezielt aus. Bewährte Strategien der Unterhaltungsmusik werden auf den „Klassikmarkt“ angewendet, Klassikinterpreten zu Popikonen aufgebaut, Bayern4-Klassik und Klassik-Radio sind abschreckende Beispiele hierfür, sie selber sind aber sogar noch stolz darauf.

Man kann und darf jedoch nichts von oben verordnen. Es handelt sich ja um gesellschaftliche Prozesse, die sich ereignen. Es sitzen nicht irgendwelche Bösewichter herum, die dies Alles beschließen. Aber es gibt Viele, die ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.

Authentisch, genuin kulturelles Handeln ist untrennbar mit Bildungsauftrag verbunden. Es gibt Hoffnungsträger, beispielsweise der wundervolle Cellist Daniel Müller Schott. In der Sendung „Meine Musik“, in Bayern4-Klassik vom 24. Mai 2008, wies er im Zusammenhang mit der Innovation von Interpretationen sehr weise auf die Notwendigkeit hin, immer und immer wieder auf Quellen und Texte zurückzugehen, um die Absicht des Komponisten zu verstehen. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer einem Hinweis für die Hörer: viele verschiedene Einspielungen anhören, Interpretationen vergleichen, sich akustischen Überblick verschaffen und wirklich zuhören, nicht zuletzt den Einspielungen dieses außergewöhnlichen Interpreten!
Geschmack und Urteil sind nicht das Gleiche, sie können sich aber durch Übung und Erfahrung einander annähern.

Rolf Basten

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